Start  >  News

Forschung zu grünem Wasserstoff

 

 

von Cornelia Bisch • Juni 2022

 

Wasserstoff ist ein Energieträger, der bei seiner Nutzung keinerlei umweltbelastende Subs- tanzen in die Atmosphäre freigibt. Er könnte Teil der Lösung darstellen beim Erreichen der ambitionierten Netto-Null-Klimaziele 2050 der Schweiz. Aber auch weit darüber hinaus eine echte Alternative zu nicht erneuerbaren, «schmutzigen» Energieträgern sein und damit zum weltweiten Klimaschutz und zur Versorgungssicherheit beitragen.

 

«Wenn die Unternehmen nicht proaktiv nach neuartigen Lösungen suchen, werden wir die Klimaziele nicht erreichen», betont Andreas Bittig, Mitarbeiter der Tech Cluster Zug AG und Gesamtprojektleiter des neu gegründeten Non-Profit-Vereins zur Dekarbonisierung der Industrie. «Wir müssen in Alternativen investieren.»

Der Verein hat sich dem Ziel verschrieben, eine Möglichkeit zu finden, um Wasserstoff auf wirtschaftliche und umweltfreundliche Weise herzustellen und für industrielle Hochenergieprozesse zu nutzen. Mitglieder sind neben dem Kanton Zug und der Empa 14 namhafte Firmen wie die ABB, Siemens, Sika, WWZ, die VZ Depotbank, V-Zug und die Metall Zug AG.

Dafür haben die Mitglieder einen Betrag von 8 Millionen Franken für die Forschung bereitgestellt. Der Kanton Zug ist voraussichtlich mit 1,72 Millionen Franken an Bord.

 

Grauer und grüner Wasserstoff

Es gibt verschiedene Verfahren zur Herstellung von Wasserstoff. Die meisten davon benötigen je- doch eine hohe Energiemenge. «Stammt diese aus nicht erneu- erbaren Quellen, ist der Prozess wenig nachhaltig», erläutert Bittig. Dann spreche man von schwarzem oder grauem Wasserstoff. Grüner und damit umweltfreundlicher Wasserstoff hingegen entstehe mittels Elektrolyse, bei der Wasser durch chemische Aufspaltung in Wasserstoff und Sauerstoff umgewandelt werde. «Diese Methode braucht viel Strom. Es ist also

vor allem im Sommer, wenn die Solarenergie reichlich vorhan den ist, eine ausgezeichnete Möglichkeit.»

Im Winter jedoch, wenn in unseren Breitengraden die Versorgung mit Solarstrom nicht ausreichend sei oder generell für industrielle Hochtemperaturprozesse, könne die Anwendung der wesentlich kostegünstigeren Methanpyrolyse eine interessante Alternative darstellen.

 

 

Der Sonnengürtel der Welt als Methanproduzent

«Dabei wird Methan, das aus Bio- oder Erdgas gewonnen wird, in einem Reaktor stark erhitzt und in gasförmigen Wasserstoff und festen Kohlenstoff aufgespalten.» Dieser Prozess erfordere nur etwa einen Sechs- tel der Strommenge, welche für die Elektrolyse nötig sei. «Auch Kohlenstoff lässt sich verwer- ten, beispielsweise in der Land- wirtschaft zur Anreicherung des Humus oder in der Baubranche.» Die Vereinsmitglieder Sika und Avag – letztere ist eine Recyclingfirma aus Bern – hätten bereits Interesse bekundet, den erzeugten Kohlenstoff zu kaufen.

Obwohl das Verfahren der Methanpyrolyse im Labor bereits weit entwickelt ist, wurde bis heute noch keine für die Nutzung taugliche Industrieanlage in Betrieb genommen. Hier setzt der neue Zuger Verein zur Dekarbonisierung der Industrie mit der eigenen Forschungs- und Entwicklungsarbeit an.

Andreas Bittig wirft einen Blick in die längerfristige Zukunft: «Da Erdgas keine erneuerbare Energie ist und Biogas nur in ungenügender Menge produziert werden kann, laufen interessante Forschungsprojekte zur Erzeugung synthetischen Methans in Oman, am Sonnen- gürtel der Welt.»

 

Den Reinheitsgrad verbessern

Dort werde mit grossflächigen Solaranlagen rund ums Jahr eine grosse Menge an kostengünstigem Strom erzeugt, mit dem via Elektrolyse emissionsfrei Wasserstoff hergestellt werde. «Weil man diesen momentan nicht wirtschaftlich transportieren kann, wandelt man ihn in synthetisches Methangas um, in- dem man Kohlenstoff aus der Luft extrahiert.» Das Methan lasse sich dann kostengünstig transportieren, und es würden zudem negative Emissionen resultieren.

Zur Gründung des Vereins zur Dekarbonisierung der Industrie angeregt hat die Tech Cluster Zug AG. Auf ihrem Areal sollen zwei Pilotanlagen, eine für die Elektrolyse und eine für die Pyrolyse, gebaut werden. «Wir forschen vor allem, um den Reinheitsgrad sowohl des Wasser- als auch des Kohlenstoffs weiter zu erhöhen», fährt der Projektleiter fort.

Bis zum Jahr 2024 sollen diese beiden Anlagen in Produktion gehen. «Die Kompetenzen zum Bau einer derartigen Pyrolyseanlage können nicht eingekauft werden, der Verein baut diese selbst auf.»

 

Fahrzeugflotten werden umgerüstet

Der Verein finanziert dabei die Forschung, Entwicklung und Inbetriebnahme der Systeme. Die Empa wird bei ihrem Forschungsauftrag von Vereinsmitgliedern unterstützt, die mit ihrer Expertise notwendiges Wissen einbringen.«Ziel ist es, die gesamte Lastwagenflotte von V-Zug plus eventuell auch die Gabelstapler nach und nach durch wasserstoffbetriebene Modelle zu ersetzen.» Zudem wolle man die energieintensive Emaillierungsanlage für die Beschichtung der Oberflächen diverser V-Zug-Geräte künftig mit Wasserstoff betreiben. Die Wasserstoffproduktion, bei der viel Abwärme entsteht, soll mit dem Multi Energy Hub des Tech Clusters gekoppelt und die Ab- wärme dem Heizsystem zugeführt werden.

 

Geht die Rechnung auf und die Prototypanlagen arbeiten wirtschaftlich, könnte der Bau weiterer Anlagen auf den Betriebsarealen der Vereinsmitglieder folgen. «Aber das ist noch Zukunftsmusik», räumt Bittig ein. «Es wird Rückschläge geben, das ist uns klar, aber die Vision der Nullemissionsindustrie treibt uns an.»

 

 

Dieser Beitrag ist in der Zuger Zeitung vom Dienstag, 28. Juni 2022, erschienen.